Die verbotene Stadt

Das riesige Rohingya-Camp an Bangladeschs Grenze soll eigentlich in zwei Jahren verschwunden sein. Daran glaubt niemand. Die Geflüchteten richten sich aufs Bleiben ein.

Von Thembi Wolf

Rohingya in Bangladesch © Thembi Wolf

Ein Bambusgerippe, gehalten von sechs Balken und etwas Strick: Das ist Mamunur Rashids bislang kompliziertestes Gebäude. Vergangenes Jahr noch konstruierte der Bauingenieur Hochhäuser im Millionenmoloch Dhaka. „Das hier ist viel anspruchsvoller“, sagt Rashid. Der Rohbau, der ein Aufenthaltsraum für Frauen werden soll, steht im Camp der Rohingya in Bangladesch, dem größten Flüchtlingslager der Welt.

Rashid muss ein Oxymoron errichten: ein Haus, das keines sein darf. Das nur aus Bambus, Strick und Stroh besteht und auf maximal zwei handbreit Fundament steht – weil die Regierung von Bangladesch keine festen Bauwerke erlaubt. Weil sie so tun will, als sei das alles nur temporär. Und doch muss das Haus Zyklone und Monsunstürme überstehen, wie sie bald während der Regenzeit über die Sommermonate wieder bevorstehen. Die Unterkunft wird wohl auch in zehn Jahren noch hier stehen. Dass die Rohingya bald wieder aufbrechen, glaubt niemand.

In Myanmar haben die Rohingya sechs Generationen Staatenlosigkeit und Diskriminierung hinter sich. Die Arsa, eine radikale Splittergruppe der Rohingya, griff im August 2017 Militärposten an und verübte laut Amnesty International mindestens ein Massaker an Hindus. Die Regierung reagierte mit Gewalt. Geflohene Rohingya berichten von Vergewaltigungen, Massenerschießungen und Massakern. Mehr als 700.000 Menschen haben ihre Dörfer in Richtung Bangladesch verlassen, wo bereits mehr als 200.000 Rohingya leben, die seit den Siebzigern vor den ersten Wellen ethnischer Gewalt geflohen waren. Nahe der Grenze treffen nun vielfältige Gruppen aufeinander: alte und neue Geflüchtete, alteingesessene Muslime und indigene Buddhisten.

Der kleine Mann im schweißnassen Nadelstreifenhemd keucht, als er den Hügel erklommen hat, auf dem das Gerippe thront. Die letzten 500 Meter musste Rashid durch die schlammigen Gassen stapfen. In der Luft hängt der üble Geruch der offenen Kanalisation. Von der Erhebung in Camp 4, Zone UU, Block 1, geht der Blick über das hügelige Lager, in dem fast eine Million Menschen leben, die aus dem angrenzenden Myanmar geflüchtet sind. Das Camp liegt am Rande von Cox’s Bazar, einem Flitterwochenparadies mit dem angeblich längsten Sandstrand der Welt.

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